Im Test: Lunistice

Lunistice, der neue 3D-Plattformer aus dem Hause “A Grumpy Fox”, macht sich auf die Herzen aller Genre-Fans zu erobern, die in der Ära der guten alten PSX Plattformer hängen geblieben sind. Die retroesque Grafik, kombiniert mit einem blitzschnellen Charakter, dessen Art und Weise der Fortbewegung stark an Sonic erinnert, hat auch gute Chancen, dieses Vorhaben zu meistern. Das Spiel erstrahlt in den chaotischen, aber gut aufeinander abgestimmten Paletten längst vergangener Zeiten und das Gameplay selbst ist fesselnd und begeistert ab der ersten Sekunde. Ob der Titel die Erwartungen auch bis zum Ende erfüllen kann?

Lunistice ist das Debüt des Ein-Mann-Studios A Grumpy Fox, hinter dem Dennis Kröner, technischer Produzent für das Indie-Publishing-Programm Deck13, steckt. Begonnen als 30-Tage-Spaßprojekt, entwickelte sich das Spiel jedoch zu etwas Größerem. Und der Aufwand hat sich durchaus gelohnt.

Der Spieler schlüpft in die Rolle des putzigen Tanukis Hana (eine Art Waschbär), die nach einem Ereignis namens „Moonfall“ in ihren zerbrochenen Erinnerungen feststeckt und unter dem wachsamen Auge eines unbekannten Assistenten einen Ausweg finden muss. Zwischensequenzen sollte man nicht erwarten. Es gibt zwar anfangs einen kurzen Film, in dem ein ominöser Erzähler die Situation schildert. Das wars dann allerdings auch schon.

Lunistice ist von Anfang bis Ende, ein sehr traditioneller Plattformer ohne „Upgrades“ oder plötzlich auftretende Gameplay-Änderungen. Die Protagonistin Hana bewegt sich fast so schnell wie ein bekannter blauer Igel, allerdings wird die wilder Raserei eben durch unzählige Plattform-Einlagen unterbrochen. Diese sind allerdings sehr gut gelungen. Denn die spiralförmigen, schwindelerregenden Kurse, mitsamt der Low-Poly-Optik, sind nicht nur ein Hingucker, sondern laufen auch butterweich, dank der stabilen Framerate. Wehmütig erinnert man sich an die gute alte Zeit mit seiner geliebten PS1. Man springt und hüpft entlang schwebenden Laufstegen, gewundenen Schienen, schwebenden Wasserkugeln und endlose kreativer verzierender Schnickschnack schlängelt bis hin zum Horizont und geben einen kleinen Hinweis auf mögliche Abkürzen, denn Lunistice ist nicht immer so linear (die Betonung liegt allerdings auf “nicht immer”, da es generell sehr wohl einen linearen Pfad zu folgen gibt. So will es die Tradition!), wie man es von den üblichen Plattformern gewöhnt ist.

Allein das Tutorial-Level zu spielen, fühlte sich an wie ein verlorenes Relikt aus den späten 90ern bis frühen 2000ern. Soundeffekte, insbesondere das Laufen, Angreifen und Springen, haben diese nostalgische Knusprigkeit. Während die Gegnervielfalt in den Levels gleich bleibt, dienen sie als Teil der Umgebung und nicht so sehr als Hindernis. Tatsächlich kann man das gesamte Spiel durchlaufen, ohne einen einzigen Feind anzugreifen (was sogar eine Voraussetzung für einen der freischaltbaren Charaktere ist). Ohne künstlichen Zeitdruck, kann man sich für das beenden eines jeden Levels alle Zeit der Welt nehmen und ein wenig die liebevoll gestalteten Level erkunden. Man muss nicht wirklich jedesmal um sein Leben rasen, nur um einen neuen Weltrekord aufzustellen.

Und es lohnt sich, das Spiel auch langsamer anzugehen, wenn man an die bezaubernden Level denkt. Im gesamten Spiel gibt es ein japanisches Grundthema. Hanas Traumwelt besteht aus den traditionellen Pagoden, Torii-Kontrollpunkten und Odango-Süßigkeiten, die in allen Ecken und Enden der Level zu finden sind. Ein Hauptbestandteil des Spiels sind Origami-Kraniche, die es zu sammeln gilt. Manche Abschnitte sind nicht unbedingt so offensichtlich. Man lässt so sein Auge schweifen, um zu sehen, was mittels einen Sprung vielleicht gerade noch so erreichbar ist, atmet tief durch und springt mutig, vielleicht in den sicheren Tod, oder auf eine rettende Plattform. Das Spiel bestraft einen nicht mit einer begrenzten Anzahl virtueller Leben. Das Einzige, was man zu befürchten hat, ist eine schlechte Note nach Abschluss eines Levels.

Und bei meinem ersten Versuch, erlebte ich beinahe unzählige Abstürze. Allerdings nicht nur um zu sehen, welchen Weg ich einschlagen muss und dann zu kurz gesprungen bin. Eine Sache, war doch sehr irritierend: Die Kamera. Nicht immer war es eindeutig zu erkennen, wo die gute Hanna überhaupt landen wird. Springt man zu weit? Ist der Sprung zu knapp berechnet? Schwierig zu sehen und ich erinnerte mich da an ein Spiel auf der PS1, das ebenfalls die Kameraführung relativ schlecht handhabte: Bubsy 3D! Was habe ich dieses Spiel gehasst!

Zum Glück sind die Checkpoints zum größten Teil gut verteilt und bieten nach harten Abschnitten eine willkommene Erleichterung. Allerdings machen sie die teils nicht so gut gelungene Spiel-Perspektive nicht wett und so verbleibt eher ein herber Nachgeschmack.

Hana beherrscht den guten alten Doppelsprung, drückt man in der Luft zudem den Angriffs-Knopf, hat man eine Art “Dreifachsprung”, wenn gleich der letzte Sprung mehr ein “Gleiten” ist. Dieses Gleiten jedoch, half mir aus so manch brenzliger Situation, denn einige Abschnitte sind nicht mit dem einfachen Doppelsprung zu meistern. Wegen der seltsamen Kameraführung bin ich jedoch auch einige Male mit Stil sanft in den Tod geglitten und nicht gestürzt. Zum Glück dauert die Wiederbelebung nur einen Bruchteil einer Sekunde.

Insgesamt gibt es 15 Level in 7 Biomen und in jedem Level wird man mit fairen Herausforderung konfrontiert. Die Skyboxen in Lunistice sind detailreich und manchmal atemberaubend anzusehen. Jedes Level ist einzigartig und erstrahlt in einem faszinierenden visuellen Flair, was die 32-Bit-Ästhetik an ihre Grenzen treibt.

Die Retro-Estetik wird auch besonders vom Soundtrack getragen. Man bekommt ein charmantes Werk des Retrofuturismus der 90er Jahre zu hören. Die Gehörgänge werden gefüllt mit sanften Trommeln, luftigen Klavier-Tönen und hüpfenden Rhythmen. Es ist eben diese Art von Soundtrack, den man so oft in den guten alten Zeiten gehört hat und passt somit genau zur der Ästhetik, die Lunistice vermitteln möchte. Jedoch kopiert man nicht die Vergangenheit, sondern kreiert fast schon eine eigene Identität.

Bosskämpfe habe ich nicht erwähnt. Und es gibt da einen Grund: Es gibt keine. Die Story von Lunistice ist jedoch eine andere und es ist schwierig diese zu erwähnen, um nicht zu Spoilern. Das Ding ist, dass die Spieler selbst an Hand von Sammelobjekten (in Form der Buchstaben des Namens “Hana”) sich Stück für Stück die Geschichte “zusammensammeln” müssen. Und es lohnt sich, denn die “Glitchigkeit” des Designs der Level hat einen guten Grund.

Hana ist nicht nur gefangen in ihrer eignen Traumwelt. Sie befindet sich in einer Simulation, was die Situation nicht unbedingt verbessert. Den die “Traumwelt” ist sogesehen ein regelrechter Albtraum. Nur eben süß verpackt. Aus diesem Albtraum gilt es zu entfliehen, denn sonst ist Hana in dem niemals Enden Kreislauf gefangen. Dies erklärt auch, warum ein Ableben nicht einen endgültigen Tod bedeutet. Der Zyklus beginnt stets von vorne. Immer und immer wieder. Die Simulation, in der sich unser Tanuki befindet, lässt auch nicht los und wehrt sich vehement gegen eine Befreiung unserer Heldin. Dies wird optisch deutlich durch Glitches, auf die man während des Spielens stößt. Lunistice ist also nicht nur ein Ponyhof-Plattformer, der von bunter Putzigkeit strotzt. Tief im Inneren steckt ein dunkles und bizarres Konstrukt, das es zu entschlüsseln gilt. Dies liegt freilich am Spieler. Lässt man sich darauf ein und die Sammelobjekte links liegen, weil einem die Plattformerei so viel Spaß macht, oder steig man in die Tiefe ein, um der armen Titelheldin auch wirklich zu helfen?

Hat man das Spiel bezwungen, hat man die Möglichkeit, zwei weitere Charaktere zu entsperren (wobei einer wie erwähnt nur freigeschalten wird, wenn man das Spiel komplett ohne einen Feind zu töten beendet). Toukie die Eule ist ein knallharter Ninja. Sie verfügt sogar über einen Vierfach-Sprung und mit einem Schwert bewaffnet, schnibbelt sie sich durch die Feinde. Toree, das kleine Küken, ist komplett wehrlos und gibt nach einem einzigen Treffer schon den Löffel ab. Jedoch hat sie eine unschlagbare Fähigkeit: Geschwindigkeit! Noch schneller als unsere Titelheldin Hana, rast Toree durch die Level. Da wird selbst Sonic grün vor Neid.

Um zum Schluss zu kommen…

Lunistice ist eine wunderschöne Liebeserklärung an all die Plattformer, mit denen wir aufgewachsen sind und es ist eines der wenigen Spiele, in denen man merkt, wieviel Engagement und Liebe der Entwickler reingesteckt hat. Es ist ein Spiel, das man schon nach wenigen Stunden beenden kann, aber viel mehr als nur blinde Raserei bietet, denn wenn man sich den Titel genauer anschaut, gibt es so viel zu entdecken. Abgesehen davon, dass man eine schöne Zeit damit verbringen kann, einen Weg zu finden, um alle Objekte zu sammeln und die Level noch perfekter zu beenden (nebst freischaltbaren Charakteren), kann man tief in das “Geheimnis” des Moonfalls eintauchen und ein wenig über das Leben sinnieren. 

Mit knapp 5 Euro kann man wirklich nichts falsch machen und bei einem so liebevoll gestalteten Spiel muss man einfach zugreifen. Und das sag ich nicht nur, weil ich selbst hoffnungslos in der Vergangenheit gefangen bin. Für Unentschlossene bietet der eShop sogar eine Demo! Es gibt also absolut keinen Grund, warum man sich Lunistice nicht holen sollte!

Bewertung: 4 von 5.

(Getestet auf Nintendo Switch)

Lunistice

Lunistice ist ein linearer 3D-Plattformer, der stark von der 32-Bit-Ära aus vergangenen Zeiten inspiriert wurde. Folge Hana, der Tanuki, auf ihrem Abenteuer durch ihre Träume!

Erkunde die verschiedenen Traumlandschaften, um sie zu ihrem endgültigen Ziel – dem Mond – zu führen und versuche, die Geheimnisse von „The Lunistice“ auf dem Weg dorthin aufzudecken!

INFO

Plattform: Switch
Veröffentlichung: 10.11.2022
Herausgeber: A Grumpy Fox
Genre: Plattformer

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