Wer kennst sie nicht: Die größten Detektive der Welt. Hercule Poirot, Miss Marple, Sherlock Holmes, Detective Conan. Alle erleben teils absurde Kriminalfälle, in denen meist mindestens eine Person den Löffel abgibt. Die Damen und Herren Detektive machen sich auf, diese mysteriösen Fälle zu lösen. Auf eigene Faust und ohne polizeiliche Hilfe, denn auf diese kann man gut verzichten, dank der Unfähigkeit so mancher Inspektoren. So werden Indizien gesammelt um dann kurz vor knapp den wahren Mörder zu entlarven. Teilweise auf sehr abstruse Art und Weise, denn nicht etwa diejenigen, die sich am meisten verdächtig machen, sind dann letztendlich auch die Mörder. Nicht all zu oft werden hanebüchene Beweise aus dem Ärmel gezogen, auf die kein normaler Verstand kommen würde, oder Personen beschuldigt, die mit dem Fall (allen Anschein nach) absolut nichts am Hut hatten, oder sie wurden zum Mörder, weil drölfzig Jahre in der Vergangenheit der Onkel vom Hund des Nachbarn aus Neid zu viel Salz in den Kaffee schüttete und man sich nun fūr die Missetat rächen musste. So oder so ähnlich.
Warum diese Einleitung? Nun, mit The Centennial Case veröffentlichte nun SquareEnix einen neuen Detektiv-Abenteuer-Spielfilm, in dem man (mehr oder weniger) in die Rolle von Haruka Kagami schlüpft, eine Mystery-Krimiautorin, die mit samt ihrem Freund undwissenschaftlicher Berater Eiji Shijima, as entfremdete mittlere Kind der wohlhabenden Shijima-Familie, einen sehr mysteriösen Fall auf dem elterlichen Grundstücks Shijima zu lösen. Bald stellt sich heraus, dass das Skelett, dessen Herkunft und Identität unbekannt ist, das man unter dem Kirschbaum gefunden hat, wohl nicht die einzige … “Leiche im Keller” ist, auf die man in dieser spannenden Geschichte stoßen wird.
Vorweg sei gesagt, dass The Centennial Case wohl nicht unbedingt viele aus den Socken hauen wird, denn wer ein Spiel erwartet, in dem man selbst das Haus und das Grundstück auf den Kopf stellt und den zahlreichen Zeugen bzw Verdächtigen mit absurden den Bauch durchlöchert, wird wohl enttäuscht sein. Bei The Centennial Case handelt es sich um ein klassisches Full Motion Video-Spiel. Es scheint so, dass diese Genre, dessen Wurzeln in den 80ern liegt, eine Art Renaissance erlebt.
Damals, in den guten alten Zeiten, war die “LASER”-Disc der wohl heisseste Scheiß, den man sich für teuer Geld kaufen konnte. CDs so groß wie Schallplatten. Irgendein schlauer Mensch kam dann wohl auf die Idee: “Hey! Filme sind cool, Spiele sind vermutlich die Zukunft. Wie wäre es denn, wenn man beides kombiniert?!?” – Und so warf man dann in den 90ern Spiele wir The 7th Guest oder auch Phantasmagoria, die mehr oder wenig kaum Gameplay baten, dafür aber eine Menge Film. Ein “interaktiver Film” also, mit vorgedrehten Material, das bei bestimmten Momenten und Situationen gestoppt wird und auf die Eingabe des.. nun.. Spielers wartet.
Weil diese Technologie Wohl die Zukunft!!!111elf war (war sie nicht!), warf man mit dem 3DO, CD-i, oder auch Sega CD passende Konsolen auf den Markt, die mit einem Laufwerk für CDs ausgestattet waren, die offensichtlich mehr Platz für die aufwändig gedrehten Filmchen bieten, als die klassischen Disketten, oder Cartridges. Rebel Assault war auch ein gutes Exemplar, wie schlecht eigentlich diese Idee war, wenn sie dazu noch miserable umgesetzt wird. Besser war dann wohl die Idee, echte Schauspieler für Zwischensequenzen vor die Kamera zu setzen, wie etwa Wing Commander.
Lassen wir mal das Thema, das man in Kürze ohnehin nicht ausrechend behandeln kann und konzentrieren wir uns wieder auf The Centennial Case…
The Centennial Case wagt nun SquareEnix (zusammen mit dem Entwicklerstudio h.a.n.d.) das Experiment, das FMV-Genre wieder Leben einzuhauchen. FMV-Spiele fühlen sich in Bezug auf Schauspiel und Präsentation wohl etwas kitschig an, was aber Teil einzigartigen Charmes des Genres ist. Und mit “etwas kitschig” mein ich “unfassbar kitschig”. The Centennial Case: A Shijima Story ist da nicht anders.
Wie Eingans erwähnt, folgt man in dem FMV der jungen Krimiautorin Haruka Kagami, die von ihrem Freund Eiji Shijima eingeladen wird, an der Nachfolgezeremonie seiner wohlhabenden Familie teilzunehmen. Kürzlich wurde auf dem Gelände des Shijima-Anwesens allerdings ein Skelett entdeckt, und Eijis eigentlicher Grund, Haruka einzuladen, besteht darin, ihm dabei zu helfen, die Identität des Skeletts sowie die Wahrheit hinter der angeblichen „Frucht der Jugend“ herauszufinden, die über Generationen in der Familie weitergegeben wurde und das Mysterium der “roten Kamelie”.
Das Spiel ist in mehrere Kapitel unterteilt, wobei jedes Kapitel einen eigenen Fall behandelt. Der Trick ist, dass einige dieser Morde in der Gegenwart geschehen, während andere zu verschiedenen Zeitpunkten vor 100 oder 50 Jahren in der Vergangenheit stattfanden.
The Centennial Case hat vielleicht eine kleine Besetzung von Charakteren, die verschiedene Charakteren sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart übernehmen, was aber der Atmosphäre selbst keinen Abbruch tut. So spielen sich alle Fälle im Kopf Harukas ab, die ihre Vorstellungskraft ins Spiel bringt, als auch alle Mitglieder Shijima-Familie der wahrend sie die Bücher oder Berichte durchliest, die die Geschichte der Familie erzählen.
Zwar ist der Großteil von The Centennial Case ein Film, was aber nicht bedeutet, dass man sich nichtstuend zurück lehnen kann. Ab und an erscheinen auf dem Bildschirm kleinere Hinweise, die man später benötigt, um den Fall zu lösen und drückt man nicht im richtigen Moment auf aufs Dreieck, geht der Hinweis verloren.
Gelegentlich wird der Filmfluß unterbrochen und es gilt mittels einen Dialog die Handlung voranzutreiben, bis es schließlich zum Höhepunkt des Falls kommt: Die Argumentationsphase. Dem Spieler wird am oberen Bildschirmrand eine Zeitleiste mit Hinweisen aus den vorherigen Szenen präsentiert. Diese “Puzzleteile” gilt es dann auf der sich am linken Rand befindlichen Hex-Raster den passenden Hypothesen zuzuordnen. Nicht immer ergeben diese Hypothesen auch sein und sind mitunter auch bei den Haaren herbeigezogen. Schwierig ist aber das Finden des Pudels Kern allerdings nicht, da das Spiel einem behutsam durch das Gameplay führt. Gedankt ist dies der intuitiven Benutzeroberfläche. So kann man auch die Filmchen vor- und zurückspulen, oder gar anhalten, oder man schaut sich Szenen erneut an, wenn man mal sich nicht sicher war, auch jeden Hinweis mitbekommen zu haben. Der Spieler kann also den Spielfluß selbst bestimmen und muss keine Angst haben, in der Hektik etwas zu verpassen.
Hat man nun in dieser Enthüllungsphase alle Hypothesen in den Raum gestellt, gilt es nun den Schuldigen zu finden. Sollte der Spieler während dieser Phase etwas falsch gemacht haben, besteht die Möglichkeit nochmals in die Argumentationsphase zurück zu kehren, um nochmals seine grauen Zellen anzustrengen. Fühlt man sich sicher, gilt es in guter alter Hercule Poirot-Manier den Schuldigen zu enthüllen. Hierzu gelt es, einige Dialoge richtig zu beantworten, um sich nicht vor versammelter Mannschaft lustig zu machen. Allerdings ist auch hier der große Moment Harukas gekommen, um Genre typisch so kritisch wie möglich zu agieren, um ihre Theses glaubhaft zu machen.
The Centennial Case: A Shijima Story bietet vielleicht nicht das Aufgebot einer Multimillionendollarproduktion. Muss es aber auch nicht. Die Schauspieler sind allesamt kompetent und liefern eine überzeugende Show ab. The Centennial Case fühlt sich praktisch mehr wie eine Fernsehkrimiserie an, denn jeder Mordfall fühlt sich wie eine eigene, in sich geschlossene Geschichte an, die sich Am ende zu einer geschlossen und spannenden Gesamthandlung, gepickt mit einem Hauch von Dramatik und Humor, verbinden, die einen leicht ein seinen Bann zieht. Der stimmige Soundtrack rundet das geschmeidige Gesamtpakt noch ab.
Man sollte vielleicht erwähnen, dass alle Dialoge entweder im japanischen Original, oder mit englischer Synchronisation verfügbar sind. Persönlich bevorzuge ich die “Originalversion”, da die Qualität der englischen Sprecher dann doch eher mit einer mittelklassigen Dailysoap zu vergleichen ist. Wer sprachlich nicht mitkommt, kann sich Untertitel zuschalten lassen.
Es wäre Schade, wenn The Centennial Case: A Shijima Story jetzt nicht die Aufmerksamkeit erhält, wie viele anderen derzeit erhältlichen Spiele. Eine Perle wie dieses Spiel.. oder Spielfilm… Filmspiel… wie auch immer… diese Perle darf nicht so einfach im Gewirr untergehen, nur weil der ein oder andere Spieler vielleicht nichts mit dem Genre am Hut hat.
The Centennial Case hat einen einzigartigen Charme, wie sie nur die guten alten LaserDisc-Spiele boten. Gern kann man (leicht übertrieben) schreiben, wie einzigartig sich The Centennial Case in jeder Hinsicht anfühlt, auch wenn man behaupten kann ,dass die Gameplay-Elemente komplett altbacken sind. Aber man sieht, wieviel Anstrengungen und Herzblut man in die Entwicklung gesteckt hat. Und so kitschig dieses Genre auch sein mag, die Geschichte mit samt ihren zu lösenden Mordfällen, bringt immerhin etwas Abwechslung in die immer gleichen Spiele der heutigen Zeit.
Wenn euch also die Idee gefällt, im Rahmen einer spannenden Krimiserie selbst Hand anzulegen, wenn es darum geht, die vielen Mysterien zu enthūllen, dann solltet ihr The Centennial Case auf alle Fälle im Auge behalten! Ich hab das Spiel jedenfalls genossen.