Im Test: Vampire: The Masquerade – Swansong

Als Vampire: The Masquerade – Bloodlines für über einem Jahrzehnt das Licht der Welt erblickte, war es eines der besten RPGs, das uns die damalige Videospielindustrie bieten konnte. Abgesehen von dem von Bugs zerfressenen Unterbau, bat uns das Spiel einen mal komplett “frischen” Ansatz was die Welt der Vampire betrifft, mit wirklich interessanten Charakteren und einer wunderbar , teils humorvoll geschriebenen Story. Klar, dass die Fans nach mehr dürsteten. Vampire: The Masquerade – Swansong von Big Bad Wolf Studio soll nun diesen Hunger stillen. Ob das Spiel auch ein würde Nachfolger ist? Finden wir’s heraus!

In Vampire: The Masquerade – Swansong übernimmt man die Rolle von drei Vampiren, Emem, Galeb und Leysha (allesamt hochrangige Mitglieder der Camarilla, eine Art Vampir-Mafia-Organisation, die zu einem Krisentreffen in Bostons Vampirhauptquartier gerufen werden, nachdem eine Party zur Feier eines Bündnisses mit der Hartford Chantry (einer Sekte von Blutzauberern) in einem Blutbad endete. Nicht weil man vampirtypisch ein paar “Blutspender” leergefegt hat, um dieses Bündnisses gebührend zu feiern. Die Party Crasher entpuppten sich als religiöser Fanatiker in Polizeiuniformen, die sich selbst als „Zweite Inquisition“ bezeichnen.

Der lokale Vampirprinz (oder besser: Prinzessin) Hazel Iversen ist auf Grund der aktuellen Geschehnissen etwas in Bedrängnis geraten und sendet unsere drei Helden aus, um der Sache auf den Grund zu kommen. Die Missionen selbst sind jeweils auf die  spezifischen Fähigkeiten jedes Vampirs zugeschnitten und die Reihenfolge ist nicht wirklich vorgeschrieben und so startet man mit dem Vampir, dessen Charakter, bzw. Mission vielleicht am interessantesten findet.

Diese Aufteilung erlaubt es, die Geschichte aus drei gleichzeitigen Zeitlinien, aber verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Allerdings hat man es irgendwie verpasst, diese Chance auch wirklich gut auszunutzen, denn nur selten sieht man wie die Handlungsstränge ineinander greifen.

Dramatische Kämpfe wie in anderen Rollenspielen gibt es allerdings nicht. Neben des Lösens einiger Rätsel, “kämpft” man sich in Vampire: The Masquerade – Swansong hauptsächlich durch jede Menge Dialoge. Kritische Szenen zwischen Charakteren werden in Konversationsversatzstücken, also verschiedene Phrasen, mit denen man den Dialog bestreitet, aufgelöst, die als „Konfrontationen“ bezeichnet werden. Die Wahl der Antworten entschiedet über Sieg oder Niederlage und in der Regel darf man sich nur 1 oder 2 Fehler leisten, um nicht komplett zu scheitern.

Das Dialogsystem beschränkt sich allerdings nicht nur auf die Auswahl der korrekten Dialogzeile. Schwerpunkt ist ein “Still System”, mit den Attributen Rhetorik, Einschüchterung, Überzeugungskraft und Psychologie, die (richtig ausgebaut) einem Vorteile bei den Dialogen verschaffen. So kann man mit seiner “Willenskraft” Sterblich manipulieren, um sie somit zur Kooperation zu “überreden”.

Der Haken ist, das man jede Mission mit einer bestimmten Anzahl an “Willenskraft”-Punkten beginnt. Diese dienen allerdings auch dazu, um Computer zu hacken oder auch Schlösser zu öffnen. Wer hier etwas verschwenderisch umgeht, den bestraft das Skill-Punkte-System, denn kommt es zu einer “Konfrontation” und es gilt bei einem kritischen Punkt die richtige Phrase auszuwählen, scheitert man unweigerlich. Hat man allerdings genügend Ressourcen zur Verfügung und einen Skill soweit ausgebaut, dass das Dialog-Kampf-System einem eine 100% Chance prognostiziert, bedeutet dies allerdings nicht, dass man auch 100% Erfolg hat. Dazu kommt noch ein Tabletop-typisches Würfelsystem, sollten die Gesprächspartner mal gleich auf sein und somit entscheidet nicht etwa der Skill über Sieg oder Niederlage sondern unfairerweise Glück, was gefühlt stets auf der Seite des Gegners ist. Der rollende rote W20 erzeugt in Swanson in etwa das gleiche Angst einflössende Gefühl mit jeder Menge Gänsehaut, wie das Öffnen einer Tür in Resident Evil. 

Der Ausgang der Missionen des Spiels bestimmen über den Erfolg oder Misserfolg bei bestimmten Dialogen, beim Lösen von Rätseln, oder das Auffinden von sammelbaren Dokumenten. Am Ende einer jeden Mission erhält man einen kurzen Überblick wo man scheiterte und weist zudem auf alternative Entscheidungen hin, die man hätte treffen können, ohne jedoch zu erklären wie man diese erreichen könnte.

Um die Charakter weiter zu differenzieren, hat jeder seine eignen Spezialfähigkeit. Galebs Stärken liegen im Beherrschen und Überzeugen von Menschen, was jetzt nicht so spannend erscheint, wenn man sich die anderen Charaktere betrachtet. Emem kann dank ihrer Celerity genannten Fähigkeit sich agiler bewegen und somit auch Abgründe “überspringen” (allerdings sind die Sprungpunkte vorgegeben). Leyshas hingegen, abgesehen, dass sie sich unsichtbar machen kann, hat die Fähigkeit, das Outfit anderer Menschen zu kopieren, um so ungehindert die Tatorte inspizieren zu können, wo man mit Unsichtbarkeit nicht weiterkommt. Insgesamt ist Leysha meiner Meinung nach auch der komplexeste und faszinierendste Charakter des ganzen Spiels, was sich auch in den Missionen widerspiegelt.

Aber auch diese Spezialfähigkeiten kann man nicht unendlich einsetzen. Der “Willenskraft”-Balken sinkt, dafür steigt der Hunger nach Blut. Und so zieht man sich in “sicher Räume” zurück (die es zuvor entdecken zu gilt, mit einem Sterblichen im Schlepptau seinen Hunger zu stillen. Allerdings sollte man darauf achten, das Opfer nicht bis auf den letzten Tropfen Blut auszusaugen, um nicht Verdacht zu schöpfen. Wirkliche Strafen muss man jetzt aber nicht fürchten. Es taucht also nicht plötzlich die spanische Inquisition auf, die einem einen Pflock ins Herz rammt. Das Aussaugen von Ratten wird übrigens ebenfalls bestraft, wenngleich man der Menschenheit schadet und als Schädlingsvernichter so gute Dienste leisten würde, jedoch beeinträchtigt das Aussaugen von Ratten den Einfluss auf seine Umwelt. Gäbe es nicht die Möglichkeit gelegentlich einen Sterblichen anzuknabbern, würde man gar nicht erkennen, dass in Vampire: The Masquerade – Swansong Vampire eigentlich die Hauptrolle spielen. Der tatsächliche Vampir-Gehalt ist relativ gering ausgefallen.

Je tiefer man in die Story einsteigt, desto mehr wünschte man sich, ausschließlich mit Leysha das Spiel bestreiten zu können. Emem mag vielleicht noch mit ihrer rebellischen Art und Weise ein wenig Sympathiepunkte sammeln, Galeb jedoch… nun… er mag zwar der höfliche und treue Camarilla-Gentleman-Handlanger sein, ist aber so charismatisch wie ein Stück Holz. Am meisten Eindruck macht Leysha. Sie mag zwar wegen ihrer psychischen Instabilität und latenter Ängstlichkeit der “schwächste” Charakter sein, ist aber genau das Gegenteil, den genau ihre Eigenschaften verschaffen dem Spiel (und dem Charakter) Tiefe. Leysha ist (auch wenn sie von dem nerven Kind-Vampir Halsey begleitet wird) der absolut stärkste Charakter im Spiel.

Nicht so stark hingegen sind die Rätseleinlagen im Spiel. Abgesehen von einigen Passagen, die ein wenig Logik erfordern, hat Vampire: The Masquerade – Swansong einen regelrechten Fetisch, wenn es darum geht, Dinge hinter einem Schlösser jeglicher Art zu versperren. Man sucht Schlüssel und Schlüsselkarten, Zugangscodes und ja, sogar Implantate! Nicht all zu selten verbraucht man mehr Zeit mit dem Auffinden irgendwelcher Schlüssel, als mit dem erkunden der Areale und Dialogen. Das bremst ein wenig den Spielfluss. Ist schon klar, dass man Dokumente nicht einfach so in der Gegend herumbiegen lassen kann, aber derart obsessiv? In einer späteren Mission verbringt man so unheimlich viel Zeit mit dem Aus- und Anpassen eines Sicherheit-Implantats, das man schon beinahe frustriert den Controller beiseite legen möchte.

Rein oberflächlich gesehen, macht das Speil einen sehr guten Eindruck. Die unterschiedlichen Umgebungen sind sehen außergewöhnlich gut aus, nicht nur was die Details der Schauplätze selbst betrifft. Die vorhandenen Lichteffekte schaffen eine sehr schöne und dichte und stilvolle Atmosphäre und es macht auch wirklich Spaß, jeden “Tatort” bis auf den letzen Punkt hin zu durchsuchen. Auch die Charaktere sehen allesamt ziemlich gut aus. Allerdings hat man in den Zwischensequenzen vergessen, den Charakteren natürliche Bewegungsabläufe zu verpassen, was deren Mimik und Gestik doch etwas hölzern erscheinen lässt. Gleiches gilt auch für Bewegungsanimation, die leicht holprig wirkt. Ab und an gibt es Clippingeffekte. So gehen beispielsweise Haare durch den Körper hindurch. Es ist also nicht alles Gold, was glänzt. Der Ansatz ist wirklich mehr als gut, an der Umsetzung hapert er jedoch. Warum man auch ausgerechnet Boston als Schauplatz gewählt hat ist mir schleierhaft, denn praktisch kann das Spiel auch in einer x-beliebigen anderen Stadt spielen, da man in den “Außenlevel” nie wirklich spezifisch die Stadt in den Vordergrund rückt. Es bleibt eben der eignen Imagination vorbehalten, dass es sich hier wirklich um Boston und nicht Bielefeld handelt.

Die Sprecher jedoch machen allesamt einen guten Eindruck… bis auf Galeb. Vermutlich ist das aber mein persönliches Empfinden, da ich für den Charakter kaum Sympathie aufbringen kann. Auch sehr stimmig ist der Soundtrack, der dem Drama die passende Atmosphäre verpasst.

Aber trotz der guten Atmosphäre weiß ich jetzt immer noch nicht, warum Vampire: The Masquerade – Swansong jetzt ausgerechnet ein Vampir-Spiel sein soll, wenngleich das Thema “Vampir” mehr oder weniger mit der Brechstange erzwungen wird. Ja, die Charaktere haben lange Eckzähne und trinken Blut, weil das Empire halt so machen. Aber so richtig “vampirisch” kommt einem das Spiel jetzt nicht wirklich vor.  Ebensogut hätte der Dialog-Simulator mit Puzzle-Einlagen, gewürzt mit einer Prise Light-Stealth auch ein ganz normales Detektiv-Abenteuer sein.

Swansong ist jetzt generell kein schlechtes Spiel, aber auch nicht das neue Bloodlines, auf das sich jeder freute. Dazu fehlt einfach das typische Vampire: The Masquerade-Feeling. Ein wenig halbgar ist das Dialogsystem, dass wegen der restriktiven Mechanik schnell in eine Sackgasse führt. Das “Ressourcen-Management” ist teilweise frustrierend, wenn man bedenkt, dass Items mit denen man während der Mission die Willenskraft wenigstens etwas wiederherstellen kann, ziemlich rar gesät sind und irgendwie mag sich das 3rd Person-RPG mit Tabletop-Elementen nicht so wirklich harmonisch verbinden. Die Idee, btw die Story selbst hätte viel Potenzial, das man allerdings (warum auch immer) verschenkt hat und man mit Vampire: The Masquerade – Swansong ein eher zahnloses (politisch korrektes) Vampir-Abenteuer geschaffen hat.

Bewertung: 3 von 5.

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