Im Test: Pocky & Rocky Reshrined

Das Gute an Remakes? Man erhält ein Stück Videospiel-Geschichte aus der guten alten Vergangenheit, mit dem Vorteil, den Titel in verbesserter Optik und Gameplay-Mechanik abermals genießen zu können, ohne seine alte Konsole entstauben zu müssen, die unter Umständen nur mit Umwegen mit dem modernen TV kompatibel ist. Doch selbst wenn man nicht die Mühe scheut, den Oldtimer wieder in Betrieb zu nehmen, gibt es da noch ein weiteres Hindernis. Sie sind unter umständen verdammt teuer. Was das gute alte Rocky & Rocky betrifft, so kostet das SNES Modul (je nach Zustand) einige 100 Öre! 

SNES Original und PlayStation Version im Vergleich

Pocky & Rocky hat eine lange Geschichte und auch wenn es danach aussieht: Es ist nicht direkt ein 1:1 Remake des Originals. Alles nahm seinen Anfang im Jahr 1986, als der japanische Entwickler Tengo Project mitsamt Publisher Taito ein Spiel names “Kiki Kaikai” für Arcade-Maschinen herausbrachte. Hauptcharakter in diesem in der japanischen Mythologie angesiedelten Topdown-Cute’em’Up sind ein Shinto Schrein-Mädchen Pocky, sowie ein Waschbär-Feuerfuchs Rocky. Alles nimmt seinen geregelten Lauf, bis eines Tages eine Gruppe Yokais verrückt spielen.

Die beiden Helden machen sich nun auf, die Ursache dieser Aggression zu erkunden und auszuschalten. Auf ihren Reisen besuchen sie wohl die absolut hübschesten, farbenfrohesten und extrem detailliertesten Pixel-Landschaften, die wir je in einem Shoot’em’Up (auch damals schon auf dem SNES) gesehen haben (und dank dem Remake, ist jetzt alles noch schöner!) Dazu später mehr…

So richtig im Westen kam “Kiki Kaikai” nie wirklich an, was vermutlich daran lag, das Taito nur sehr wenige Exemplare der Arcade-Version exportierte. Dies änderte sich 1992, denn dank Natsume, wurde das Spiel endlich für die neue Generation der 16bit “Heim-Konsolen” frisch gemacht und erreichte nun auch komplett den Westen. Natsume, die Damales schon extrem gute Shooter auf den Markt brachten, verhalfen “Pocky & Rocky” nicht nur zu einem ruhmhaften Aufstieg, sondern verpasst dem Spiel auch gleich noch einen zweiten Teil (1994), sowie einen Gameboy Advanced Nachfolger namens „Pocky & Rocky with Becky” (2001). 2007 hätte es beinahe einen Port für die PS2 gegeben, allerdings gab es wohl “Schwierigkeiten” zwischen Starfish SD, die sich um den Port kümmern sollten und Taito, weswegen der Publisher die Lizenz ohne weiteren Kommentar wieder entzog.

Nun, passend zum 30 jährigen “Heim-Konsolen-Jubiläum”, erscheint endlich ein “Retro-Remaster-Remake” des Kult-Klassikers. Doch man gab sich nicht (wie üblich) mit einem langweiligen Remaster des Originals zu frieden. Wie auch schon damals, steckte man im “Remake” jede Menge Liebe und Arbeit in den Titel und erschafft quasi ein komplett neues Spiel, ohne die Ästhetik des Originals, noch dessen Erbe zu beschädigen und dies dank einiger Entwickler, die bereits am Klassiker ihre Hand anlegten.

Startet man Pocky & Rocky auf der PlayStation, so sieht der Startschauplatz (fast) tatsächlich wie das Original aus (abgesehen von einer extrem gut überarbeiteten Pixel-Grafik). Pocky betritt die Bühne und schwingt ihren Haraegushi, ein Holzstab mit Papierstreifen, der zur rituellen Reinigung des Shinto-Schreins verwendet wird, und los geht die Action, untermalt mit der ikonischen Musik.

Während man im ersten Level noch glaubt, dass die Erinnerung vielleicht nicht ganz hinterherkommt mit der neuen Ästhetik, merkt man ab dem zweiten Level mit absoluter Sicherheit, dass es sich bei dem “Port”, quasi um ein komplett neues Spiel handelt.

Spielmechanisch jedoch bleibt alles beim alten. Noch immer gilt es schnell zwischen den beiden “Waffensystemen” hin und her zu wechseln um nicht hoffnungslos in wenigen Sekunden vernichtet zu werden. Die “Hauptwaffe” ist der besagt Holzstab, der mit einer Wedelbewegung die Feinde in der unmittelbaren Umgebung ins Jenseits befördert (einige lassen sich ausschließlich mit dem Stab erledigen), aber auch Projektile, die teils in vernichtender Menge auf einen zufliegen, abwehrt und gar zum Absender zurückschleudert.

Da es sich bei Pocky & Rocky um einen klassischen “Run and Gun”-Shooter handelt, darf eine Fernkampfwaffe natürlich nicht fehlen und mit den üblichen Orbs, lässt sich die sogar upgraden, solange man stets die gleichen blauen Kugeln sammelt. Weicht man mit der Farbwahl ab, hat man zwar eine neue Waffe, verliert aber die zuvor gewonnen Feuerkraft. Wird man getroffen, verliert man nicht nur Lebensenergie, aber auch ein zuvor gesammeltes Waffenupgrade. In dem Fall lässt einem das Spiel einige Sekunden Zeit, dies wieder aufzusammeln, bis es sich in Luft auflöst. Sollte der Bildschirm mal etwas zu voll sein, lässt er sich mit einer taktischen Bombe “reinigen”. Allerdings hat man nur eine begrenzte Anzahl. Stirbt man, so füllt sich der Bestand NICHT wie in anderen Spielen wieder auf. Solltet ihr es also auf eine Kamikaze-Taktik mit Massenvernichtungswaffen abgesehen haben, kommt ihr womöglich nicht all zu weit. Mit dem “Dash-Knopf”, kann man sich zudem aus all zu brenzligen Situationen (und diese gibt es wie Sand am Meer) in Sicherheit bringen.


Wie auch schon damals macht es Sinn überlegt vorzugehen. Sich kopfüber in den Kampf zu stürzen mag zwar funktionieren (auch wenn es Upgrades für kurzzeitige Unverwundbarkeit gibt), jedoch sollte man sich stets eine optimale Strategie zur Hand legen und stets zwischen einer offensiven und defensiven Spielweise abwägen, wo rohe Gewalt nicht all zu viel bringt. Feinde erscheinen in stets den gleichen Formationen, feuern in den stets gleichen Rhythmen und bewegen sich (mehr oder weniger) auf den stets gleichen Pfaden. Hat man den Dreh raus, ist  Pocky & Rocky grundsätzlich machbar. Grundsätzlich. Praktisch ist das Spiel wie auch schon damals mitunter bockschwer. Und dann gibt es wiederum Level, die einem Ponyhof gleichen. Komischerweise, komme ich im Original besser voran als auf der PlayStation und das obwohl die Ur-Version zum stottern neigte. 

Das “Remake” bietet zwar einen “Easy”-Modus, der allerdings erst verdient werden muss. Gleiches gilt auch für den Koop-Modus. Dies macht die PlayStation-Version künstlich schon um einiges schwieriger, als die SNES-Urversion. Schade, wenn man bedenkt, dass das Spiel praktisch von Grund auf für Koop entwickelt wurde. Wer es schafft, das Spiel ohne Continue von vorne bis hinten durchzuspielen, verdient dafür sogar eine Trophy, was allerdings erst nach viel Blut – und Schweiß vergießen gelingen mag, nicht weil das Spiel superlang ist (im Prinzip kann man das in unter 2 Stunden durchspielen), sondern weil es für Casual-Spieler eine extrem harte Nuss (und ich denke hier an die teils extremen Boss-Fights) ist. Aber zum Glück gibt es das Wort “Lernkurve”. Wohl dem, der es anzuwenden weiß.

Auch neu ist, dass der Spieler nun “gezwungen” wird, einen bestimmten Charakter für das jeweilige Level zu “wählen”. Insgesamt gibt es 5 verschiedene Helden, wobei einer erst nach Komplettierung der Story verfügbar ist. Alle bringen ihre eignen Spielmechaniken (Waffen) mit, was vermutlich der Sinn hinter der festen Charakter-Wahl, denn so hat man stets die für den aktuellen Level passende Bewaffnung parat und so sich nicht komplett hoffnungslos die Finger wund klickt.

Grafisch gesehen war das SNES Original schon ziemlich gut, das “Remake” setzt dem zeitlosen Pixellook aber noch eins drauf. Alle Sprites sind unglaublich detailliert und liebevoll animiert. Gleiches gilt freilich auch für das Leveldesign selbst. Dort wo der SNES die Luft ausging, kann die PlayStation Version mit der neuen Grafik-Power (und Unity) zeigen, wie unfassbar hübsch Pixel in 2D in Szene gesetzt werden können. Und auch wenn es knallbunt zugeht, wirkt es nie wirklich kitschig… wobei… ehrlich gesagt… es ist schon ziemlich übertriebene Pixel-Kitsch-Kunst mit der wir es in Pocky & Rocky zu tun. Es ist eine unfassbar schöne kunstvolle Neuinterpretation des Klassikers und man kann sich hier nur fragen, warum das nicht andere Publisher hinkriegen, mit IPs die wohl weit aus mehr in den Köpfen der Spieler verankert sind. Einen weiteren schönen Beitrag leistet der unfassbar gute Soundtrack, der auch schon vor 20 Jahren verzaubern konnte. Nun, neu abgemischt, sogar noch um einiges besser. 

Neben der digitalen Version, die von Natsume vertrieben wird, gibt es auch dank ININ Games eine boxed Version und dies sogar in einer Limited und Collector‘s Editions, mit einem Rocky-Plüschtier und was die Limited Version betrifft, zusätzlich mit dem zeitlosen Soundtrack, die später im Jahr erscheinen werden, aber jetzt schon vorbestellbar sind.

Wer stets auf der Suche nach verschollenen Schätzen ist, der sollte sich Pocky & Rocky unbedingt zulegen. Nicht nur, weil es eine fast vergessene Perle der Videospielgeschichte ist, sondern weil es sich hierbei um das putzigste und praktisch schönste Cute’em’Up handelt, dass die japanische Mythologie zu bieten hat.

Pocky & Rocky: Reshrined ist nicht nur ein öder Port, sondern eine absolut erstaunliche und liebevolle Reinkarnation des Klassikers und ein bemerkenswertes Beispiel dafür, was mit 2D und einer Menge Pixeln auf den Bildschirm zaubern kann! Das Gameplay ist knackig, aber stets fair (mit einer klitzekleinen Ausnahme), wenn man sich die Mühe macht, sich eine passende Strategie zurecht zu legen. Mit dem Koop-Modus hat man auch nach Komplettierung des Story-Modus eine Menge zu tun und garantiert bombastisch viel Spaß. Pocky & Rocky war (und ist) ein exzellenter Genre-Vertreter und Reshrined setzt dem Ganzen noch das Sahnehäubchen drauf. Und das sage ich nicht nur, weil sich das Spiel ganz tief in meine Gehirnwindungen eingebrannt hat.

Ein absolutes Must-Have!

Bewertung: 4.5 von 5.

Pocky & Rocky: Reshrined

Pocky das Schreinmädchen und Rocky der Waschbär sind im neuesten Spiel der lange bestehenden klassischen Shooter-Serie wieder vereint! Als der böse Black Mantle angreift, müssen sich Pocky und Rocky erneut zusammentun, und dieses Mal brauchen sie auch die Hilfe weiterer Freunde, um die bevorstehenden Herausforderungen zu meistern! In 8 Leveln voller rasanter Shooter-Action hast du mit unheimlichen Gegnern, großen Bossen und vielen überraschenden Wendungen alle Hände voll zu tun!

INFO

Plattform: PS4
Veröffentlichung: 24.6.2022
Herausgeber: NATSUME INC.
Genre: Cute’em’Up, Action

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