Im Test | Chained Echoes

Die guten alten Rollenspiele, die wir schon damals auf dem Super Nintendo gespielt haben, werden eigentlich nie wirklich alt. Die Grafik vielleicht, aber was bedeutet schon Grafik, wenn das Gameplay echter Perlen wie etwa Secret of Mana oder Chrono Trigger einfach unerreicht bleibt? Die Spiele bleiben im Gedächtnis und werden auch nach Jahren immer wieder gerne gespielt. Oft hat man versucht, das Prinzip zu kopieren. Doch meist blieb der Charme dabei auf der Strecke. Und ja, es gibt Remakes, mit denen es ermöglicht wird, dass eben diese alten Spiele auch auf einer neuen Hardware mit grafischen Verbesserungen gespielt werden kann. Aber wirklich neue Kreationen? Spiele, die sowohl das Gameplay als auch den Charme der Klassiker einfangen? Mangelware!

Und somit hab ich mich gefreut, als Chained Echoes zum ersten Mal auf meinem Radar auftauchte. Zum einem wiederbelebt das Spiel die Pixelkunst der Super Nintendo Klassiker mit dem selben Charme, und der selben Liebe zum Detail und zum anderen mit einer Story, die uns schon von der ersten Minute ab packen und nur wieder loslassen wird. 

Chained Echoes spielt auf dem Kontinent Valandis, einem 3.000 Jahre alten Land mit einer reichen Geschichte aus Forschung, die zum einem großen Teil auf Magie basierte, aber auch einen enormen technischen Fortschritt ermöglichte. Leider ereigneten sich ungefähr 156 Jahre lang scheinbar endlose Kriegswellen, in denen die drei Königreiche des Kontinents, Taryn, Escanya und Garvos, um die Vorherrschaft kämpften.

Nach einer katastrophalen Explosion im Osten, bei der Zehntausende von Menschen ums Leben kamen, unterzeichneten die Nationen jedoch aus Angst einen Friedensvertrag, da niemand die Verantwortung für den Vorfall übernahm. Jetzt, im Jahr 807, ein Jahr nach der Vertragsunterzeichnung, schließen sich schließlich mehrere Personen mit sehr unterschiedlichem Hintergründen zusammen, um die potenzielle Wiederaufnahme des Krieges zu stoppen, die aus einer Verschwörung hervorgegangen ist.

Während der ersten Minuten des Titels werden die Spieler zwischen den Hauptdarstellern wechseln, um das Geschehen aus ihren Perspektiven zu zeigen, als auch deren Geschichten, Motivationen und Eigenschaften zu präsentieren, bis schließlich alle, trotz deren so unterschiedlichen Pfaden, zusammentreffen. Von Taryn-Prinzessin Lenne und ihrem treuen Leibwächter Robb bis hin zur Diebin und Betrügerin Sienna erhält auch wirklich jedes Partymitglied genügend Aufmerksamkeit, um auch jeden Charakter ausführlich dem Spieler vorzustellen. Dies sorgt vorab schon mal, um die Welt, in die man einsteigen wird, meisterlich und akribisch aufzubauen.

Tatsächlich ist die erste Facette der Erfahrung, die die meisten Spieler wahrscheinlich bemerken werden, dass dieses Spiel keine Zeit damit verschwendet, das Lore zu liefern. Historische Ereignisse und die zahlreichen Ereignisse in der Welt werden neben Schlüsselfiguren in bestimmten Regionen und Organisationen detailliert beschrieben. Es liegt freilich am Spieler, wie aufmerksam man die ganzen Beschreibungen durchlesen möchte. Es lohnt sich allerdings.

Das Worldbuilding ist stets ein kompliziertes Thema und diesen Thema wird in Chained Echoes wirklich ernst genommen. Trotzdem macht dieses dichte Geschichtenerzählen in dem absolut bezaubernde Rollenspiel nicht langweilig. Überhaupt nicht. Tatsächlich ist der Dialog ein Bereich, in dem dieses Spiel sehr glänzt, da es einen ziemlich angenehmen Sinn für großartigen Humor gibt. 

Das liegt vor allem an der Sprache, die man verwendet. Ein wenig schlaksig. Aber jedesmal auf den Punkt gebracht. Darüber hinaus unterstützt diese Sprache die sorgfältige Darstellung des Realismus in der Welt. Nichts wirkt übertrieben oder zu flach. Die Dialoge sind auf hohem Niveau und das überrascht in diesen Zeiten enorm.

Was die Party Mitglieder betrifft, so gibt es nicht den einen Protagonisten, der die Truppe anführt. Praktisch jeder kann als Hauptdarsteller angesehen werden, wobei einige mehr ausgearbeitet sind als andere. Glenn ist jedoch aufgrund seiner ständigen Präsenz und der im Vergleich zu den anderen merklich stärkeren Konzentration auf seine Notlage der Gesamtsieger.

Aus einem unerklärlichen Grund interagiert gelegentlich eine mysteriöse Stimme mit Glenn und warnt ihn kurz vor bevorstehenden Dilemma, die er vermeiden sollte.

Sienna ist ein weiterer Charakter, der mit Sicherheit zu euren Favoriten wird, da ihre Existenz trotz ihrer relativ auf den Punkt gebrachten Interaktionen und Charakterisierung im Vergleich zu einigen anderen Charakteren eine diametrale und inhärent entgegengesetzte Haltung zu der Funktionsweise des Rests der Besetzung bietet. Kurz gesagt. Sie ist die perfekte Drama Queen!

In Bezug auf das Gameplay schafft es Chained Echoes, eine anpassbare und dennoch zugängliche Reihe von Systemen beeindruckend zu implementieren.

Man levelt allerdings Charaktere nicht im traditionellen Stil auf, wie wir es aus allen anderen Rollenspielen vielleicht kennen. Stattdessen erhält man Items namens Grimoire Shards, nachdem man Bosse besiegt und bemerkenswerte Aufgaben erledigt hat, die dann im Hauptmenü verwendet werden, um verschiedene Arten von Fähigkeiten zu erlernen. Und diese Fähigkeiten sind in drei allgemeine, selbsterklärende Kategorien unterteilt; Aktion, Passiv und Statistiken. Bevor man sich den Kopf zerbricht, sollte man jedoch die Aktionsfähigkeiten priorisieren.

Auf der anderen Seite sind die passiven und statischen Varianten langfristig nützlich. Allerdings kommen diese Werte erst wirklich zur Geltung, wenn man zuvor die verfügbaren Aktionsfähigkeiten aufgewertet hat. Ohnehin sind zu Beginn einige Fähigkeiten gesperrt. Neben den Charakteren, kann man freilich auch seine Ausrüstung, insbesondere Waffen und Rüstungen, an ausgewählten Schmiedestandorten mit Materialien für verbesserte Werte aufrüsten lassen.

Für mehr Wumms, sorgen Kristalle, die man auf seine Ausrüstung stecken darf und so ein Art Segen verleihen, um den Schadensausstoß zu erhöhen. Abgesehen von späteren Gegenständen erfordern diese Materialien ehrlich gesagt selten ein umfangreiches Grinden, was ein konsistentes Gefühl des Fortschritts ermöglicht.

Skill Punkte erhält man durch das Gewinnen von Schlachten. Da normale Mob-Kämpfe normalerweise respawnen, ist es möglich, für diese SP zu grinden, aber das Design des Spiels rät nicht wirklich dazu. Verschwendet also keine Zeit für Dinge, die ohnehin langweilig sind. Die Menge an SP, die man durch Grinding verdienen wird, fällt ohnehin mager aus. Chained Echoes verlangt aber auch nicht, dass man sich immer und immer wieder in immer gleiche Kämpfe stürzt. Stattdessen möchte das Spiel, dass man sich auf die Story konzentriert und somit auf ein dynamisches und harmonisches Gameplay, das im Fluß ist und nicht durch Grinden unnötig in die Länge gezogen wird. So setzt man den Fokus mehr auf den Spielstil und versucht nicht krampfhaft irgendein Level-System durchzuboxen, mit dem man den Spieler nur unnötig quält. Jeder soll  Chained Echoes bis zum Ende durchspielen können, und jeder auf seine Art und Weise. 

Dies bedeutet aber nicht, dass der Rollenspiel Part auf der Strecke bleibt, was die Charakter Entwicklung betrifft. Jeder Charakter hat seinen eigenen, speziellen Fähigkeiten und Ausrüstungen. Somit ist Zusammenstellung der Party für einen bevorstehenden Kampf immer noch essenziell. Ein Element, das Chained Echoes bietet, ist die Doppelbelegung eines Charakter Platz. Bevor dieser vor Erschöpfung zusammenbricht, kann man ihn mittels Tastenklick einfach auswechseln. So kann jeder Spieler auf seine Vorlieben hin, stets das Maximum aus einer Party herausholen um auch bei der größten Herausforderungen noch als Sieger hervor gehen zu können.

Und wo wir gerade von der Herausforderung sprechen. Interessanterweise werden Gesundheit und Magie aller Spieler nach jedem Kampf automatisch vollständig wiederhergestellt, was bedeutet, dass die Spieler so oft wie möglich alles geben können uns sogar sollten, was auch eine große Auswahl an kontinuierlichen Offensivstrategien zulässt, die somit häufiger ausgeführt werden können, als in anderen RPGs, in denen das vorübergehende Ressourcenmanagement zwischen den Kämpfen ein allgegenwärtiger Faktor ist.

Kommen wir nun endlich dazu, wie das Kampfsystem tatsächlich funktioniert. Die Kämpfe sind rundenbasiert, und die grundlegenden Funktionen, die von diesem Genre erwartet werden, sind hier, obwohl es ein paar einzigartige Aspekte gibt, die es wert sind, erwähnt zu werden. Erstens und vielleicht am wichtigsten ist die Overdrive-Leiste, die in drei verschiedene gelbe, grüne und rote Segmente unterteilt ist. Während die spielbare Besetzung kämpferische Aktionen ausführt, bewegt sich der Pfeil in der Overdrive-Benutzeroberfläche stetig nach rechts. Das gemeinsame Ziel während jeder Schlacht ist es, im grünen Bereich zu bleiben, da dies die Statistiken verbessert, während im roten Bereich die Fähigkeiten behindert werden.

Es ist ein einfach zu analysierendes System, das das unaufhörliche Spammen identischer Fähigkeiten verhindert  (auch wenn ich zugegebenermaßen trotzdem stets versucht habe, die effektivste Angriffsoption bis zur Erschöpfung hin zu nuten) und Möglichkeiten für Verteidigungsmanöver bietet. Einige Fähigkeiten werden auch zeitweise gelb hervorgehoben, und ihre Verwendung verringert Ihre Platzierung in der Overdrive-Leiste. Dennoch sind sie nicht immer kontextuell realisierbar, sodass der blinde Einsatz dieser Fähigkeiten in den roten Zahlen mehr schaden als nützen kann, was ich auf wegen meiner zu offensiven Herangehensweise all zu oft schmerzlich zu spuren bekommen hab. Statusbeschwerden und elementare Affinitäten werden ebenfalls in den Kampf integriert und sind in vielen Szenarien besonders wichtige Entscheidungsfaktoren.

Wenn man Buffs und Debuffs in den Mix wirft, werden die unzähligen Systeme hier, die möglicherweise einschüchternd sind, durch ihre Geradlinigkeit ausgeglichen, was zu einem meisterhaft gewebten Kampfsystem führt. Meine einzige wirkliche Kritik in Bezug auf den Kampf ist, das man einen Haufen Tutorialseiten ins Gesicht gedrückt bekommt, anstatt sie aktiv in den Kampf zu integrieren. Dadurch wäre die Mechanik leichter verdaulich geworden, aber das ist letztendlich ein kleiner Fehler, von dem ich bezweifle, dass er die Erfahrung der Spieler beeinträchtigen wird.

In Bezug auf die Präsentation ist es sonnenklar; Chained Echoes ist umwerfend schön. Der Pixel-Art-Stil ist verständlicherweise nostalgisch, aber dennoch frisch und überzeugend. Wobei die düsteren und bedrohlichen Bereiche grotesk einladend wirken. Die Qualität der Charaktermodelle ist ebenfalls ähnlich und fungiert als Eckpfeiler dieser vom Krieg zerrissenen, verunreinigten Welt.

Obwohl großartig, fand ich, dass die Charakterporträts nicht gut mit der Umgebung harmonisieren. Man wird sich definitiv an ihre Designs gewöhnen, aber ihre Ansätze haben mich nicht so hart getroffen wie der Rest des Spiels. Vor allem Glenns Porträt stach im Vergleich zu seiner Darstellung in Pixelkunst auffällig auf.

Leider hat Chained Echoes kein Bibliotheks- oder Ressourcenmenü im Pausenbildschirm, in dem Tutorials enthalten sind. So wird es einem erschwert, essentielle Texte nachzulesen, falls man etwas in der Hektik des Gefechts nicht mitbekommen hat. Die einzige Lösung des Problems wäre es, sich Screenshots anzufertigen, um diese dann in aller Ruhe durchlesen zu können. Wie sehr vermisst man hier die klassischen gedruckten Handbücher!

Sidequests sind ebenfalls integriert und funktionieren wie erwartet.  Das Abschließen der hier aufgeführten Aufgaben bringt Belohnungen ein, und zusätzliche Preise werden gewährt, wenn lange Reihen der abgebildeten Erfolgsplättchen abgeschlossen werden.

Glücklicherweise beseitigt schnelles Reisen präventiv die Frustration, die mit der Erledigung einiger dieser Aufgaben einhergegangen wäre.

Was Fehler im Spiel und dergleichen betrifft, war meine Erfahrung reibungslos. 

Eine letzte Facette, auf die es sich lohnt, aufmerksam zu machen, ist der Soundtrack des Spiels, der absolut phänomenal gut komponiert wurde. Abgesehen von den ruhigen Feld- und Stadtthemen bringen die verschiedenen Kompositionen das Blut in Wallung. Das Sounddesign ist im Allgemeinen großartig; Audiophile kommen hier sicherlich auf ihre Kosten.

Chained Echoes ist ein äußerst ehrgeiziges und beeindruckendes rundenbasiertes Rollenspiel, das, abgesehen von kleineren Fehlern, an allen Fronten punkten kann. Von seinem großartigen und ständig zum Nachdenken anregenden Kampfsystem mit gut implementierten Herausforderungen bis hin zu seiner stark geschriebenen Besetzung und dem Weltaufbau der Meisterklasse ist dies ein unverzichtbares Muss für jeden Fan des Genres, von dem ich aufrichtig hoffe, dass es niemandem am Radar vorbeigeht. Chained Echoes fängt perfekt den Charme unser lieb gewonnen Klassiker ein und würde man es nicht besser wissen, hat man wirklich das Gefühl, zurück in die Zeit gereist zu sein, dort hin, wo die Spielewelt noch eine Schönere war. 

Bewertung: 4.5 von 5.

(getestet auf PS5)

Chained Echoes

Chained Echoes legt einen starken Fokus auf eine gute Geschichte in der eine Gruppe von Helden durch den Kontinent Valandis streift, um den Krieg zwischen drei Königreichen zu beenden.

Auf ihrer Reise werden sie nicht nur die üblichen Dungeons erkunden, sondern auch düstere Wälder, fliegende Inseln, Gebirgspässe, Wüsten und vieles, vieles mehr.

Nimm dein Schwert, kanalisiere deine Magie und steig in deinen Mech. Chained Echoes ist ein 16-bit RPG mit Anleihen an die goldene Ära der RPGs, angesiedelt in einer Fantasywelt in der Drachen fast genauso normal sind wie Piloten in mechanischen Anzügen.

INFO

Plattform: PS5, PS4, Switch
Veröffentlichung: 08.12.2022
Herausgeber: Deck13 Interactive GmbH
Genre: Rollenspiel

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